Presse Artikel „Turmbau zu Babel“ 2010

„Turmbau zu Babel“ findet auf vielen Ebenen statt.
Die Ausstellung des Kunstvereins ist im Frauenkircherl zu sehen.

„Blue Moon“ und der „Turmbau zu Babel“: In der Vernissage des Kunstvereins im Frauenkircherl trafen der bittersüße Jazzstandard von Sang Ganyonga und Dieter Knirsch auf die bildnerische Auseinandersetzung mit der Bibelgeschichte. Nach innen gerichtete Melancholie und maßlose, nach außen zielende Selbstüberschätzung – das waren starke Kontraste, die aufeinander prallten und die Sinne umso mehr schärften.

Wie stumme Zeugen ragen die Skulpturen Monika Schweigers in den Raum – „Was wir noch zu sagen hätten“ nennt Schweiger ihre Installation. Das von Horst Stano gemalte Anlitz „Dogmen“ scheint unter innerem Druck fast zu bersten. „Der Mensch ist das Problem“ betitelte Hans Peisn seine Darstellung hassverzerrter Brandstifter. Nemesis ist bei Michaela Dreier ein unheimliches Nachtschattengewächs. „Des Guten Zuviel II“ nennt Dirk Auf dem Hövel seine bizarr verdrehten Holzfiguren Eine symbolträchtige „Nature Morte im Babylonischen Turm“ hat die Gruppe Schicht (Albin Zauner, Anneke Brill und Stefan Duttenhofer) dargestellt.

„Die Kunst kann Fragen stellen“, sagte Bodo Gsedl, der mit seinem Bild „Man muss sich selbst als Säule des Firmaments begreifen“ vertreten ist. Der Betrachter werde animiert, seinen Standpunkt zu suchen, vielleicht sogar, sein Handeln und die „Tragfähigkeit des menschlichen Turmbaus“ zu überprüfen. (vev)

Die Ausstellung: Noch bis Dienstag, 2. November, kann die Ausstellung im Frauenkircherl jeweils von 13 bis 19 Uhr besichtigt werden. vev

– Münchner Merkur (28.10.2010)

SZ-01-28.10.10

 

Wie übermütig dürfen Menschen sein? Mit dieser Frage setzt sich die Jahresausstellung des Erdinger Kunstvereins auseinander. Aus ganz Bayern haben Künstler Bilder eingeschickt, die besten sind im Frauenkircherl zu sehen.

„Turmbau zu Babel – Hybris“ so hat der Erdinger Kunstverein seine Jahresausstellung im Frauenkircherl am Schrannenplatz überschrieben. Künstler aus ganz Bayern reichten dazu ihre Werke ein, 24 davon sind seit vergangenem Wochenende ausgestellt. In eindrucksvoller Weise setzten sich die Teilnehmer des Wettbewerbs mit Hybris, dem frevelhaften Übermut, der Selbsterhebung und Vermessenheit des Menschen auseinander.

Dirk Auf dem Hövel, Vorsitzender des Vereins sagte, worauf es der Jury bei der Preisverleihung ankam: „Das Kunstwerk soll über das Thema hinausgehen.“ Außer dem Wunsch, mit der Jahresausstellung einen Gegenpol zum Höher, Schneller und Weiter der heutigen Zeit zu setzen, verfolge der Kunstverein ein weiteres Ziel: „Wir wollen auch Künstler aus der Umgebung nach Erding bringen.“

Bis in den Himmel sollte der Turm zu Babel reichen, so steht es in der Bibel geschrieben. Das Bestreben der Babylonier, dem Herrn gleichzukommen, scheiterte. Er bewirkte, dass niemand mehr den anderen verstand, die Menschen zerstreuten sich in aller Herren Länder. Der Münchner Jörg Schmutterer trifft insofern mit seiner Installation den Nagel auf den Kopf: „Gott straft Hybris mit Sprachverwirrung“ heißt sein Glaskasten, durch den von einem über Zeitschaltuhr getakteten Ventilator ab und an Zeitungsschnipsel gewirbelt werden. Die Installation fällt ob der Bewegung auf, viel Raum für Interpretation bleibt nicht.

Eine Säule weiter steht die Skulptur „Am Jüngsten Tag“ von Ursula Sunkler aus München. Aus einem Holzblock scheinen maskenhafte Köpfe aus keramischen Ton zu wachsen. Die Jury, außer Auf dem Hövel gaben auch Matthias Gangkofner, Vorsitzender des Münchner Künstlerhausvereins und Martin Wittl vom Sponsor Sparkasse Erding-Dorfen ihr Votum ab, sahen hier die Anforderungen am besten umgesetzt. Genauso wie bei den beiden Schellack-Häusern, die Sieglinde Berndt aus Neubeuern mit der Zeichnung von Menschen versehen hat.

 


„Hybris baut gigantische Träume“

Für Auf dem Hövel besonders interessant: „Das Zweidimensionale ist mit dem Dreidimensionalen gut zusammengebracht.“ Auf dem zweiten Platz landete die Fadenzeichnung „Blick in die Zukunft“ von Sheila Furlan, ebenfalls aus München. An diesem Werk gefällt dem Vorsitzenden die Bezugshaltung der drei abgebildeten Menschen – sie schauen nach oben und streben offenbar auch dorthin – und das Fadenscheinige, im wahrsten Sinne des Wortes: „Das Werk ist aus dem leichten Stoff, der uns allen Hoffnung macht.“

Zur Vernissage am Freitag kamen viele Kunstinteressierte in das Frauenkircherl. Der Fraunberger Schriftsteller Peter B. Heim sagte in seiner Laudatio: „Noch immer baut Hybris gigantische Türme, die früher oder später im Fiasko enden. So ist der Turmbau zu Babel wohl auch als Mahnmal zu sehen. Und sollte ich die unterschiedlichen Sprachen dieser Arbeiten hier trotz ihrer Verschiedenheit einigermaßen verstanden haben, so nehme ich an, dass diese Mahnung zumindest in der Kunst und bei manchen Künstlern bis heute nachwirkt.“ Das Urteil der Jury als allgemeingültig zu erachten, liegt dem Kunstverein-Vorsitzenden übrigens fern. „Das wäre ja wieder Hybris“, sagt er. Er halte es mit dem Grußwort von Wolfgang Heubisch im Katalog zur Ausstellung: „Weniger die moralische Bewertung von Hochmut und Überheblichkeit steht im Zentrum, sondern die Diskrepanz zwischen eigener und fremder Wahrnehmung.“ Letztlich müssten die Besucher der Aussteller ihren Favoriten selber küren, sagt Auf dem Hövel.
Dazu haben sie noch bis zum 5. September Gelegenheit, die Ausstellung ist täglich von 13 bis 19 Uhr geöffnet


Die Künstler, deren Werke im Erdinger Frauenkircherl ausgestellt sind, haben eigene Vorstellungen von Hybris. „Fliehet aus Babel“ nennt die Freisinger Künstlerin Dietlinde Swienty dieses Werk. (© Peter Bauersachs)

 

– Süddeutsche Zeitung (23. Aug. 2010)
Wider die Selbsterhebung Von Matthias Vogel

 

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